Streit um AKW-Frage vor Wahlen in Niedersachsen: Sauer im Regen
Der steht laut Gesetz für den Jahreswechsel an. Wirtschaftsminister Robert Habeck – ein Grüner – verkündete vergangene Woche aber, zwei der drei noch aktiven Kernkraftwerke “wohl” über das Jahresende hinaus weiter zu betreiben. Zuvor hatte ein Stresstest der deutschen Netzbetreiber sogar nahegelegt, alle verbleibenden Anlagen am Netz zu lassen. Seitdem geht in Deutschland das Schreckgespenst eines Blackouts um.
Angst vorm Dunkeln
In Lingen ist all das von Relevanz: Zwar soll das KKE vermutlich nicht mit in den Streckbetrieb – eine hochumstrittene Entscheidung. Doch in der Stadt befindet sich eine Brennelementefabrik, in der Uran für Reaktoren in ganz Europa aufbereitet wird. Obendrein wird in Niedersachsen am Sonntag gewählt.Es ist die erste Landtagswahl im Energiekrisenherbst, die Parteien sind in der AKW-Frage zerworfen. Und Habecks Ankündigung ist für die Anti-Atomkraft-Bewegung ein Beben auf den letzten Metern. In Lingen trommelt sie zum Protest.
“Gorleben? Dabei gewesen! Menschenkette!”
Eine Stunde bevor ihre Kundgebung offiziell startet, flattern über den Ständen des Marktplatzes ein paar gelben Flaggen durch die Luft, darauf zu sehen: das bekannte rote Logo von “Atomkraft, nein danke”. Die erste Gruppe Atomkraftgegner ist da. Gerade hat sich die Sonne durch die Wolken gekämpft. Die Demonstranten setzen sich vor eine Bäckerei. Erst mal Kaffee.Atomkraftgegner vor dem Demostart. (Quelle: Lando Derouaux )Die Truppe umfasst vier Männer und zwei Frauen um die 65. Seit Jahrzehnten schon demonstrieren sie gegen die Kernenergie. “Ich bin nicht sicher, ob hier jemand dabei ist, der vor Brockdorf nicht schon nass geworden ist”, sagt einer der älteren Männer. “Ich bin seit 37 Jahren dabei”, sagt eine der Frauen und erzählt von ihren Schlachten. “Wackersdorf? Dabei gewesen. Gorleben? Dabei gewesen! Menschenkette!”Jetzt fürchten sie den jähen Verlust dessen, wofür sie ein halbes Leben auf die Straße gegangen sind – so kurz vor dem Ziel. Der Ausstieg vom Ausstieg steht zur Debatte, trotz Fukushima, trotz Merkels Energiewende vor knapp zehn Jahren.
“Der Wendehals der Grünen ist erschreckend”
“Es ist schon ziemlich niederschmetternd”, sagt einer der Männer. Er habe gehofft, dass nach der Wahl eine Wende einkehren würde. Eine “Kultur des Aufhörens”. Stattdessen habe sich das Wirtschaftsministerium auf eine falsche Diskussion eingelassen. Denn: Nicht das Netz oder das Stromangebot seien das Problem, das der Stresstest aufgeworfen habe; es sei der Verbrauch, der dem Stresstest zugrunde gelegt wurde. “Soll mir keiner erzählen, dass man die paar Prozente im Energiemix nicht einsparen kann.”