Das Verdienst von Elon Musk
Twitter ist mehr als nur ein Medium. Twitter ist ein viele Millionen Nutzer starkes Machtinstrument. Und Elon Musk hat mehr Einfluss als ein normaler Mensch. Er ist ein milliardenschwerer Machtmensch, der vorgibt, eine politische Agenda zu verfolgen. Eine Agenda, die zu einem besseren, aber auch nicht näher definierten gesellschaftlichen Zustand führen soll. “Ich habe Twitter gekauft, weil es für die Zukunft unserer Zivilisation wichtig ist, ein gemeinsames digitales Forum zu haben”, schrieb Musk diese Woche in einem offenen Brief an die Anzeigenkunden von Twitter. Der Dienst solle ein Platz werden, auf dem “eine große Bandbreite an Meinungen auf gesunde Art diskutiert werden kann, ohne dass es in Gewalt ausartet.”Ein hehrer Vorsatz. Denn wenn das tatsächlich funktioniert, kann Twitter dabei helfen, mit der gesellschaftlichen und politische Spaltung der Gesellschaft eine der drängendsten Fragen unserer Zeit zu lösen.Doch Elon Musk schafft sich damit auch ein großes Problem. Bei vielen hat er eine Erwartung geweckt: Jeder soll auf Twitter alles sagen können. Das klingt irgendwie gut, wie Freibier für die Demokratie.Er wird dieses Versprechen nicht einlösen können. Denn die Vision, die der Unternehmer versucht, wahr werden zu lassen, ist gewissermaßen unmenschlich. Sie ignoriert Realitäten, denen seine Utopie nicht standhalten kann. Ob die Vereinigten Staaten von Amerika, die Europäische Union, Deutschland, Indien, Russland oder China – jedes Land der Erde macht Gesetze. Die Tage des Internets als einem “rechtsfreien Raum” – der so nie existiert hat – sind lange vorbei. Egal, ob Demokratie oder Diktatur: Regierungen etablieren Regeln. An die müssen sich Unternehmen und auch deren Besitzer halten.Eine freie Rede ohne die Einhaltung von Gesetzen wird also nicht eintreten. Das mag in einem Staat wie China die Zensur von politischen Inhalten sein, welche dem Regime nicht passen. Das mag in den USA oder in der EU ein öffentlicher Aufruf zum Selbstmord oder zur Gewalt sein, weil das ein Verbrechen darstellt.”Comedy ist jetzt legal auf Twitter”, verbreitete Musk kurz nach dem Kauf über sein Twitter-Konto. Auch das klingt gut.Was aber, wenn ein “Go kill yourself” angeblich nur ein Spaß sein sollte, sich aber wirklich jemand das Leben nimmt? Als Musks Twitter-Kauf besiegelt war, soll die Anzahl antisemitischer Tweets rasant angestiegen sein. Alles kein Spaß. Wie soll das strafrechtlich verfolgt werden, ohne staatlichen Zugriff auf Nutzerdaten?Egal, wem Regeln aus welchen Gründen auch immer nicht passen mögen. Auch Elon Musk wird mindestens Nutzungsbedingungen umsetzen müssen, die den aktuellen Gesetzen der jeweiligen Länder entsprechen. Am Ende entscheiden Gerichte darüber, wie diese ausgelegt werden.